Ein Klettergerüst an einem Strand im Regen (Quelle: dpa/Cee Werner)
Bild: dpa/Cee Werner

- Pädophilie

Eine sexuelle Neigung, von der man nicht geheilt werden kann. Wir finden es wichtig, darüber zu reden. Denn keiner muss Täter werden.

"Kein Mensch sucht sich seine seuxelle Neigung aus. Das ist Schicksal und nicht Wahl. Deshalb dürfen wir nach keiner Ethik dieser Welt, Menschen dafür stigmatisieren oder verurteilen", sagt Hannes Ulrich. Er ist Sexualtherapeut beim deutschlandweiten Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden". Ehrlich zu sich selber sein, ist ohnehin schon total schwierig. Aber was ist, wenn man merkt, dass Kinder einen sexuell anziehen?

Präventionsprojekt für Jugendliche "Du träumst von ihnen"

"Pädophilie ist die sexuelle Erregung durch das kindliche, vorpubertäre Körperschema" erklärt Umut Özdemir. Er arbeitet an der Charité Berlin als Diplompsychologe und Sexualtherapeut mit Pädophilen zusammen. Damit junge Menschen, die diese Neigung haben, nicht zum Täter werden, gibt es dort das Präventionsprojekt "Du träumst von ihnen". Dieses richtet sich speziell an zwölf- bis achtzehnjährige Jugendliche. Das Motto des Projekts: "Niemand ist verantwortlich für seine Gefühle, wohl aber für sein Verhalten.". Für Erwachsene mit pädophiler Neigung gibt es hingegen das obengenannte Projekt "Kein Täter werden", das sich an Betroffene aber auch Familienangehörige richtet. Über 11.000 Menschen haben schon Kontakt zum Projekt aufgenommen.

Hilfsangebote

  • Für jugendliche Betroffene und Angehörige

  • Für Erwachsene betroffene und Angehörige

Kein Outing, keine Lösung

Viele Pädophile outen sich nicht, denn ihre sexuelle Neigung gilt als Tabu und wird entweder als sexuelle Störung, wie von der Weltgesundheitsorganisation, oder als "psychiatrisches Krankheitsbild" (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disordersit) gesehen. Oft werden Menschen mit dieser Neigung mit Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht. Es ist aber auch wichtig zu wissen, dass nicht jeder Mensch mit pädophiler Neigung zum Täter wird.

Neigung vs. Störung

Bei den beiden Projekten der Charité wird sehr auf die richtigen Bezeichnungen geachtet, denn niemand entscheide sich aktiv für oder gegen seine Neigung.

Zur Erklärung: Von einer Störung wird in der Charité erst gesprochen, wenn ein gewisser Leidensdruck bei den Betroffenen selbst entsteht oder Gefahr für andere besteht. Ein Mensch mit pädophiler Neigung kann jedoch so gut therapiert sein, dass er mit seiner Neigung leben kann, ohne selbst darunter zu leiden oder seine Neigung auszuleben.

Häufigkeit und Hilfe

Schätzungen gehen davon aus, dass etwa ein Prozent der Männer in Deutschland eine pädophile Neigung haben. Natürlich gibt es auch pädophile Frauen. Tatsächlich habe sich bei dem Projekt bisher erst eine Frau gemeldet, bei der dann auch Pädophilie festgestellt wurde. Das Projekt ist professionell, kostenlos und alle Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht.

Wenn Ihr merkt, dass Ihr Euch wohlmöglich zu Kindern hingezogen fühlt, Ihr jemanden kennt, der sich Euch anvertraut hat oder Euch jemand "verdächtig" vorkommt, dann meldet Euch zum Beispiel bei den Präventionsprojekten der Charité.

Ursachen

Eine pädophile Neigung entwickelt sich meist am Anfang der Pubertät. Warum genau, weiß die Forschung noch nicht. Özdemür und seine Kollegen gehen davon aus, dass eine Pädophilie vermutlich durch genetische Faktoren, aber auch psychische und soziale Faktoren - wie das Umfeld und die Interaktion mit anderen Menschen - begünstigt werde.

Jürgen Lemke, der seit 25 Jahren als Sozialtherapeut und Psychologe beim Berliner Projekt "Kind im Zentrum" mit Missbrauchsopfern und Missbrauchern arbeitet, hat festgestellt: "Bei allen ist das Selbstwertgefühl sehr gering entwickelt." Das hänge damit zusammen, dass sie in der Peer Group nicht angenommen, zu Hause vielleicht auch ausgegrenzt würden und sich dann Jüngeren hinwenden, "wo sie Chef im Ring sind." Diese Beziehung könne sich dann - möglicherweise - sexualisieren.

Therapie: "Der ist kein Monster. Vielleicht bin ich auch keins."

Die Therapie von Pädophilen umfasst psychotherapeutische, sexualwissenschaftliche, psychologische und medizinische Ansätze. Bei manchen werden auch unterstützend Medikamente eingenommen. Am Ende marschiert man aber nicht "geheilt" da raus. Laut Hannes Ulrich ist es nach dem jetzigen Wissensstand auch gar nicht möglich, die sexuelle Neigung eines Menschen zu verändern, denn diese ist nach Definition keine Krankheit. Die Therapie hilft vor allem dabei, "dass Betroffenen andere kennenlernen und feststellen: 'Ach guck mal, der ist ja ein ganz normaler Mensch. Das hätte ich ja nie gedacht, dass der pädophil. Das ist ja gar kein Monster. Vielleicht bin ich dann auch keins.'", sagt Hannes Ulrich.

Das große Ziel in einer Therapie von Menschen mit pädophilen Neigungen ist es, ihnen dabei zu helfen, ihre Akzeptanz für sich und ihre Neigung zu empfinden und in ihr Selbstbild zu integrieren. Dazu gehört es, ihre sexuellen Bedürfnisse zu erkennen und zu bewerten und Wege zu Lernen, um Übergriffe zu verhindern. An der Charité finden Sitzungen beispielsweie einmal wöchentlich als Gruppen- oder Einzeltherapie statt. 

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