Reportage - Kurz vor Knast - Wie konnte es so weit kommen? Eine Reportagereihe von Henrike Möller

Kaum erwachsen und schon mit einem Bein im Knast - so ist das bei Pascal, Moritz und Lukas. Einbrüche, Drogen dealen und Körperverletzung sind nur ein Auszug ihres Straftatenkatalogs. Aber wie konnte es so weit kommen?

Wir hatten eine geile Zeit

Drei Jungs aus Brandenburg. Gerade mal alt genug, um Lotto zu spielen. Das sind Pascal, Moritz und Lukas. Wir haben ihre Namen geändert, weil alle drei offene Strafverfahren für ziemlich krasse Geschichten am Laufen haben.

50 Gramm Amphetaminpaste, 30-40 Gramm Gras und 3000 Euro - das hat er in seiner Tasche, als Moritz von der Polizei hochgenommen wird. Zum Zeitpunkt der Tat ist er in einer Gang und verkauft Drogen.

Auch heute sprechen Pascal und Moritz noch über die Zeit, als schwelgten sie in Erinnerungen. Reden von geiler Atmosphäre mit den Kumpels, Adrenalin. Pascal beschreibt das so: "Da war immer der Zusammenhalt. Das war ja zu Hause nicht so. Und dieses Gefühl nie allein da zu stehen, ist einfach befriedigend."

Gestörtes Verhältnis zu den Eltern

Zusammenhalt gibt es bei Pascal und Moritz zuhause nicht, so erzählen sie es. Die Mütter beider verhindern früh den Kontakt zu ihren Vätern - gegen den Willen von Moritz und Pascal. Selbst als sein Vater kurz vor seinem Tod im Krankenhaus liegt, lässt Pascals Mutter nicht zu, dass er ihn ein letztes Mal sehen kann. Später geht sie zur Polizei und sagt gegen ihn aus. Die Gang ist sein Rückzugsort.

Lukas ist kein Gang-Mitglied. Aber auch bei ihm zu Hause ist es schwierig. Beide Eltern sind heroinabhängig und dealen selbst. Der Vater wird abgeschoben, noch bevor Lukas eingeschult wird. Seine Mutter muss wegen eines Raubüberfalls für mehrere Jahre ins Gefängnis. Lukas wächst im Heim auf, wird in der Schule gemobbt. Aus Frust fängt er irgendwann an, selbst Drogen zu nehmen: "Damit ich irgendwie in eine andere Welt flüchten kann. Beim Einschlafen hat es mir meistens geholfen." Um sich die eigenen Drogen leisten zu können, dealt er und tritt damit in die Fußstapfen seiner Eltern.

Nach aktuellem Forschungsstand in Deutschland gibt es kein Kriminalitätsgen. Doch die Hemmschwelle für Kinder von Straftäter:innen ist geringer, auch selbst kriminell zu werden. Kinder lernen von ihren Eltern. Sie schauen sich ihre Verhaltensweisen ab und übernehmen sie. "Selbst wenn sie von der Vernunft her wissen, dass es nicht gut ist. Aber es ist das, was vertraut ist", so erklärt es die Kriminologin Ruth Linssen.

Gibt es noch Hoffnung für die drei?

Wie es für die drei weitergeht, liegt vor allem an ihnen selbst. Unterstützung bekommen sie beim Projekt HSI "Haftvermeidung durch soziale Integration" vom CJD Berlin-Brandenburg
. Richtig annehmen tun sie das nur teilweise. Moritz und Lukas kämpfen mit ihrem Antrieb und sehen für sich kaum eine Perspektive. Nur Pascal hat angefangen, sein Fachabi nachzuholen und will studieren. Die Projektleiterin Annett Kessouri hofft, dass es trotzdem einen Änderungsprozess bei allen drei ins Rollen bringt: "Ich streue auf einer Wiese einen Samen Blumen und erst nächstes Jahr gedeiht es."

Für die Scheiße geradestehen

Pascal, Moritz und Lukas wurden nicht als Verbrecher geboren, sie haben das Kriminellsein GELERNT – von Freunden, Bekannten, ihren Eltern. Und was gelernt ist, kann möglicherweise auch wieder VERlernt werden. Doch erstmal steht eine andere Entscheidung für jeden einzelnen der jungen Männer aus - Moritz sagt: "Die Scheiße haben wir im Endeffekt selbst gebaut und jetzt müssen wir auch zusammen dafür geradestehen". Zurzeit warten sie auf ihre Gerichtstermine.

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